KWK-Ziel im KWK-Gesetz neu fassen

  • Hallo,


    in der Vergangenheit hatten wir verschiedene KWK-Ausbauziele, die im KWK-Gesetz genannt wurden.
    - zuerst gab es ein Ausbauziel, dass die CO2-Einsparung als Wert anvisierte,
    - dann gab es ein relatives Ziel: KWK-Anteil von 25% an der Stromerzeugung
    (eigentlich: Erzeugung elektrischer Energie, da elektrischer Strom in Ampere gemessen wird),
    - und seit der letzten KWKG-Novelle stehen dort absolute Zahlen drin: 110 TWh für 2020 (bzw. 120 TWh).



    Anbei findet ihr zu den Ausbauzielen eine Graphik, die diese verschiedenen Zieldefinitionen auf einen Nenner bringt. Angesichts der letzten KWK-Statistik (Tabelle 1) könnte man der Annahme folgen, dass das KWK-Ziel erreicht sei und man deswegen keine weiteren Unterstützungsmaßnahmen braucht. Daher sei hier ergänzt, dass die Bilanzierung der KWK-Wärme (und damit die Entscheidung ob KWK-Strom oder Kondensationsstrom vorliegt) in dem Artikel der AG Energiebilanzen eine andere ist, als man sie bei der Festlegung der KWK-Ziele vor Augen hatte. Daher muss dieser Effekt rausgerechnet werden. Weiterhin darf nicht vergessen werden, dass der Sprung in der Gasverstromung von 2015 auf 2016 um knapp 10 TWh nicht nur durch einen besseren Spark-Spread sondern vor allem durch die Bestandsförderung von Gas-Heizkraftwerken zu erklären ist. Dieser Mechanismus wird Ende 2019 auslaufen.


    Ich möchte an dieser Stelle die Diskussion um verwässerte oder ambitionierte KWK-Ziele anfangen.


    Im Vision-2050-Video von COGEN Europe (2:30 min) wird davon gesprochen, dass 2050 für die Erzeugung von thermischer und elektrischer Energie aus Brennstoffen ("thermally generated electricty and heat") KWK bevorzugt werden sollte. Das geht einher mit den Erkenntnissen der FhG-IFAM-Studie, die von rund einer Verdopplung der KWK-Leistung ausgeht, beim Rückgang der Laufzeiten aufgrund geringerer Laufzeiten durch nicht-disponible EE-Anlagen, die Wind- und Sonnenenergie ernten.


    Sollten wir uns nicht auch dafür aussprechen, ein Leistungsziel im Gesetz zu verankern? Es ist klar, dass bei weiterem Ausbau der erneuerbaren Energien die generierten regenerativen TWh zunehmen, aber für die kalte Dunkelflaute und sonstige Tage mit positiver Restlast (= Last - Wind - Solar) brauchen wir disponible Erzeugungsanlagen und das kann KWK leisten.


    Gemäß der AGEB-Statistik erzeugt die KWK in der allgemeinen Versorgung seit knapp 10 Jahren rund 50 TWh elektrisch und knapp 100 TWh thermisch. Die Industrie-KWK wuchs von 25 TWh auf 35 TWh elektrisch und von 80 auf 90 TWh thermisch. Die kleine KWK unter 1 MW konnte sich auf 30 TWh elektrisch und 40 TWh thermisch verdoppeln. Mini-KWK bis 50 kW ist (noch) vergleichsweise klein (vgl. mit der BAFA-Statistik) und baut um die 60 MW pro Jahr zu. Dennoch ist angesichts der Verbreitung von Öl- und Gaskessel nach wie vor ein Riesenpotential vorhanden (siehe Absatz neuer Wärmeerzeuger nach Jahren und Bestandstatistik), das ohne Mini-KWK gar nicht abzudecken ist. Bekanntlicherweise liegt nicht überall Fernwärme und auch Wärmepumpen sind nicht für jedes Bestandsgebäude (20 Mio E+MFH bei 40 Mio Wohneinheiten) geeignet.


    Momentan haben wir in DE rund 30 GW-KWK-Leistung installiert. Warum sollten wir nicht 60 GW für 2050 anstreben? Das sind noch über 30 Jahre Zeit, und bei einer Lebensdauer von 20 Jahren kann man sich immer noch überlegen, wie die Ersatzinvestition aussieht. Aber die exergetischen Verluste, die wir in Kauf nehmen, wenn wir Brennstoff in warmes Wasser wandeln, sind enorm. Hier sollten wir schon heute was tun und nicht auf St. Nimmerlein warten.


    Gruß,
    Gunnar

    Ist die Wärme kraftgekoppelt, wird die Energie gedoppelt. (Ulli Brosziewski)

  • Man wird von der Politik verar.... KWk ist eine gute Sache, aber die Würdigung bleibt zurück und es wird ein immer größerer Bürokratieaufwand erforderlich. Wenn ich schon Transparenzverordnung lese......
    KWK Potential scheint nicht erwünscht zu sein, leider.
    Wo kämen wir auch hin, wenn plötzlich 1000nde Dachse und Vitovalor und... dazukommen würden. Die armen Kohlekraftwerke...

  • Das stimmt, aber es ist leider auch ein Boomerang, der aus der wilden Zeit der PV entstanden ist.


    Es gab und gibt wilde, unangemeldete Anlagen ohne Netzprüfung etc. die lustig installiert wurden, ich hatte letztens ein Gespräch mit einem Versorger, der mir Geschichten erzählt hat, die man so nicht glauben kann....


    Ich bin ja selber von der Bürokratie massiv betroffen, aber ich kann Euch versichern, dass dies nur die Überreaktion auf die damaligen Ereignisse ist. Jetzt will man halt alles zu 130% richtig machen, weil man vorher alles nur zu 70% richtig gemacht hat.


    In Summe kommen dann eben 100% raus

  • PV ist aber eine andere Geschichte, den Kübel braucht man nicht über KWK auszugießen.
    Wilde und nicht gemeldete Basteleien gibts dabei selten denn man will ja Geld sehen für die Einspeisung und gern auch die Steuerbefreiung haben.
    Wir brauchen keine 130%, 100 reichen.
    Und es dürfte für den Versorger kein Problem sein, die Anmeldedaten im Computer vernünftig zu übernehmen.
    Der Hemmschuh ist die unwillige Politik, das steht RWE und Co mit den Großkraftwerken oft auf der Matte. Und mancher Politiker sieht sich da wohl im späteren Leben im Vorstand....

  • Stimmt alles, nützt aber nix. Und es ist auch ungerecht, die Versäumnisse aus der PV-Zeit auf BHKW anzuwenden, aber gemacht wird es dennoch.


    Und es ist außerdem so, dass auch bei BHKW (z. B. Blindstomkompensation) bei den Installateuren sehr viele Fehler gemacht werden. Man ist eben in Sippenhaft

  • Welches EVU macht da schon Vorgaben? Das ist ja nichts was der Elektriker zu entscheiden hat.
    Aber du hast recht wenn du sagst daß nicht jedes BHKW optimal eingebunden ist und auch das Maximum an Laufzeit rausholt. Da ist einiges an Mist gebaut worden - aber von allen Beteiligten.
    Wünschenswert wären jedenfalls ein Bürokratieabbau und eine Verbesserung des gesetzlichen Rahmens.

  • Moin Gunnar,

    Es ist klar, dass bei weiterem Ausbau der erneuerbaren Energien die generierten regenerativen TWh zunehmen, aber für die kalte Dunkelflaute und sonstige Tage mit positiver Restlast (= Last - Wind - Solar) brauchen wir disponible Erzeugungsanlagen und das kann KWK leisten.

    Richtig, KWK kann das grundsätzlich leisten. Aber die Idee, nahezu die gesamte Residuallast in KWK zu erzeugen (und ein Ziel von 60 GW KWK-Leistung bedeutet nichts anderes), halte ich für schwer realisierbar.


    Eine grobe Abschätzung der erwarteten Laufzeiten für unterschiedliche Leistungen kann man anhand einer Jahresdauerlinie machen. In einer Studie fand ich das angehängte Diagramm zur erwarteten JDL für die Residuallast (RL) im Jahr 2050 für verschiedene Szenarien. Nimmt man dort z.B. die Szenarien S6 und S8 als Basis (die einen Anteil von ca. 80% EE an der Stromerzeugung annehmen, siehe Link), so zeigt sich, dass die RL weniger als 1000 Stunden im Jahr oberhalb 50 GW liegt und ab 6000 h Null ist. In den Szenarien S4 und S5 (>90% EE) liegt die RL bei ca. 500h um 50 GW und ab 4.500h bei Null.


    Angenommen dass KWK-Anlagen mindestens 3000 Vollbetriebsstunden brauchen um wirtschaftlich betrieben werden zu können, so wäre das mit 60 GW Nennleistung unter den o.g. Szenarien nicht möglich. 50 GW KWK könnten in den 80%-Szenarien zu etwa 3.500 VBH führen, in den 90%-Szenarien schon nur noch zu 2.500 VBH. Im letzteren Fall würden 3000 VBH nur erreicht, wenn die KWK-Leistung bei 30 GW liegt, also bei der KWK-Leistung, die heute bereits installiert ist.


    Die restliche RL sollte besser in billigen Gasturbinen erzeugt werden, bei denen es nichts ausmacht, wenn sie nur ein paar hundert Stunden im Jahr laufen. Dass dabei mindestens 50% der eingesetzten Primärenergie über Dach gehen, macht m.E. kaum was aus, weil es sich hier nur um die letzten 10-20% der Residuallast-Arbeit handelt. Je nach Szenario würden die genannten 30-50 GW KWK-Leistung ausreichen, um 80-90% der Residuallast-Arbeit abzudecken.


    Wohlgemerkt, diese Rechenweise setzt voraus, dass zukünftig sämtliche KWK-Anlagen ausschließlich entsprechend dem (Residual-)Strombedarf im Netz gesteuert werden. Bei modernen KWK-Großanlagen z.B. von Stadtwerken ist das technisch kein Problem, die werden teilweise heute schon so gefahren. Aber die vielen Prosumer-Betreiber in Haushalt & Gewerbe müssten bei einer solchen Betriebsweise ihren Strom- und Wärmebedarf je nach Szenario mindestens 2.800 bis 4.300 Stunden im Jahr vollständig und ca. 4-5000 Stunden zum Teil aus anderen Quellen decken. (Das können natürlich auch Speicher für Strom und Wärme oder eine PV-Anlage sein.) Und bei den KWK-Anlagen in der Industrie (aber auch z.B. bei Hochtemperatur-Brennstoffzellen!) ist eine solche Flexibilität m.E. überhaupt nicht gegeben, so dass die Schwankungen der Residuallast allein von den restlichen KWK-Anlagen aufgefangen werden müssten.


    Dass eine solche Flexibilität nur erreichbar ist, wenn die wirtschaftlichen Nachteile durch entsprechende Förderung oder flexible Tarifgestaltung (oder besser beides) aufgefangen werden, versteht sich von selbst.


    Fazit: Natürlich waren das jetzt alles nur Daumenschätzungen. Eine Vorgabe für die KWK-Leistung in Deutschland sollte aus meiner Sicht Top-Down ermittelt werden, d.h man sollte


    1) ein Zielszenario für den Stromverbrauch (einschl. Sektorkopplung, PtX und E-Mobilität!) und die EE-Stromerzeugung im Jahr 2050 festlegen
    2) auf Basis dieses Zielszenarios eine Jahresdauerlinie für die Residuallast ermitteln
    3) aus der RL-JDL sowie realistischen Annahmen für die wirtschaftliche Mindestbetriebsdauer von KWK-Anlagen die mögliche KWK-Leistung zur Abdeckung eines Teils der RL ermitteln
    4) und - nur zur Sicherheit - diese in den verschiedenen Einsatzgebieten mit dem voraussichtlichen Wärmebedarf abgleichen.
    4) Die so ermittelte KWK-Leistung wäre noch zu korrigieren um den Anteil nicht-flexibler Anlagen v.a. in der Industrie. (Brennstoffzellen abschaltbar zu machen ohne sie dadurch zu ruinieren werden wir ja bis 2050 hoffentlich schaffen...)


    Das Ganze ist natürlich eine wissenschaftliche Arbeit - hätte aber den Vorteil, dass daraus für eine evtl. politische Diskussion eine bessere Faktenbasis entsteht.


    Gruß, Sailor

    Bilder

    Viessmann Vitotwin 300-W (1 kWel, 6 kWth) seit 2012

    PV-Anlage 8,45 kWp (65 x Solarworld SW 130poly Ost/Süd/West, SMA 5000 TL und 3000) seit 2010

    Solarthermie Viessmann Vitosol 300 Vakuumröhren 13,8 qm (Vorgänger Flachkollektoren 14 qm 2004-2021, davor 8 qm 1979-2003)

    Einmal editiert, zuletzt von sailor773 ()

  • Wo kämen wir auch hin, wenn plötzlich 1000nde Dachse und Vitovalor und... dazukommen würden. Die armen Kohlekraftwerke...


    Wir haben ca. 40 Mio Wohneinheiten in Deutschland, die sich auf etwa 20 Mio Häuser verteilen, d.h. daher klingt die Statistik überzeugend, dass rund 20 Mio Wärmeerzeuger im Bestand sind. Wenn man nun ein Viertel davon mit Wärmenetzen versorgt und bei Wärmepumpen (vor allem in gut gedämmten Neubau - bis zu 300.000 WE/p.a.) ebenfalls 5 Mio WE anpeilt, dann bleiben 10 Mio Gasheizungen übrig. Sofern man diese durch stromerzeugende Heizungen ersetzt, die pro WE rund durchschnittlich 1 kW elektrische Leistung liefern, macht das mit dieser Milchmädchenrechnung eine installierte Leistung von 20 GW.


    20 GW haben oder nicht haben ist im Fall einer kalten Dunkelflaute (kalt bedeutet hohe Last und bei Hochdruckwetterlage auch wenig Wind, PV liefert im Winter wenig und nachts erst recht nichts) nicht kriegsentscheidend, aber es gibt einen ordentlichen Sicherheitpuffer. Und wenn man heute schon mit Brennstoffzellen 60% elektrischen Wirkungsgrad hinbekommt, dann muss man sich sicherlich für 2050 nicht schlechter rechnen und auch die dezentrale KWK braucht sich hinter der großen KWK nicht verstecken. Das einzige, was man noch braucht, ist ein PV-Wunder (International Technology Roadmap for Photovoltaic, Bild 1+2), das die Kosten durch Massenproduktion auf ein Fünftel senkt.


    Gruß,
    Gunnar

    Ist die Wärme kraftgekoppelt, wird die Energie gedoppelt. (Ulli Brosziewski)

  • Hallo Sailor,

    Richtig, KWK kann das grundsätzlich leisten. Aber die Idee, nahezu die gesamte Residuallast in KWK zu erzeugen (und ein Ziel von 60 GW KWK-Leistung bedeutet nichts anderes), halte ich für schwer realisierbar.

    Ich sehe das anders. Momentan haben wir 80 GW Maximallast, und bei den ganzen Elektrifizierungstrends im Rahmen der Sektorenkopplung glaube ich schon, dass die Leistungsspitze eher wachsen wird. Zudem ist die gesicherte installierte Leistung stets größer als die Maximallast, um auch mit ungeplanten Schwierigkeiten umgehen zu können. Die Leistungszunahme wird wohl trotz dem Smart Charging, was bei den E-Autos versprochen wird und netzdienlichen Wärmepumpen, die man einige Stunden mit einer Sperre versehen kann, passieren.


    Zudem ist ein Ziel etwas, das man heute anpeilt, um schonmal in die richtige Richtung zu laufen. Wenn sich im Laufe der kommenden Jahre das Ziel verschiebt, dann kann man mit einer neuen Zielvorgabe nachjustieren, vgl. mit dem Konzept des Regelkreises.

    Eine grobe Abschätzung der erwarteten Laufzeiten für unterschiedliche Leistungen kann man anhand einer Jahresdauerlinie machen. In einer Studie fand ich das angehängte Diagramm zur erwarteten JDL für die Residuallast (RL) im Jahr 2050 für verschiedene Szenarien.

    "In den illustrativen Szenarien variiert die jährliche Stromnachfrage zwischen 450 und 750 Terawattstunden. Zum Vergleich: Heute werden in Deutschland rund 600 Terawattstunden erzeugt." (S. 13) Aha. Welches Szenario deckt die Notwendigkeit ab, die heute 13,5 Exajoule = 3750 TWh Primärenergiebedarf durch effizientere Energieketten auf unter 2000 zu drücken, und dann mit WEA und PV auch eine Jahresernte von ca. 2000 TWh einzufahren?


    Wir haben alleine einen Jahreswärmebedarf von 800 TWh zum Heizen + WW und 400 TWh für Prozesswärme. Ja, dämmen hilft, aber bei einer Sanierungsrate unter 1% haben wir in 50 Jahren die Hälfte des Bestandes durch, wenn man optimistisch denkt. Der Neubau kommt auf 150-300 kWE - hier sollte man gleich Passivhausqualität anstreben, so dass man sich nur noch ums Warmwasser kümmern muss. Selbst wenn man also den Wärmebedarf im Sektor HH+GHD auf die Hälfte drückt, und davon die Hälfte mit Wärmepumpen (JAZ=4) erzeugt, sollte man den Rest mit KWK (blaue Wärme, d.h. niedriger PEF) und nicht mit Kesselwärme decken.

    Angenommen dass KWK-Anlagen mindestens 3000 Vollbetriebsstunden brauchen um wirtschaftlich betrieben werden zu können,

    Wie kommst Du auf diese Annahme? Zum einen sind 3000 Vollbenutzungsstunden pro Jahr und darüber nicht unüblich (vgl. mit der Anlage Matthes 2015, S. 5) und warum sollte es einen Betreiber stören, selbst nur 1500 Vbh pro Jahr zu laufen, wenn er nach 30.000 Stunden die Investitionsausgabe per KWKG wieder drin hat? Man muss natürlich dafür sorgen, dass das KWKG nicht sang- und klanglost verschwindet, sondern mit vernünpftigen Konditionen verlängert wird. Dafür dient z.B. diese Diskussion hier, um vorausschauend Argumente auszutauschen und die unzweifelhaften Pros herauszuarbeiten.

    Die restliche RL sollte besser in billigen Gasturbinen erzeugt werden, bei denen es nichts ausmacht, wenn sie nur ein paar hundert Stunden im Jahr laufen. Dass dabei mindestens 50% der eingesetzten Primärenergie über Dach gehen, macht m.E. kaum was aus, weil es sich hier nur um die letzten 10-20% der Residuallast-Arbeit handelt. Je nach Szenario würden die genannten 30-50 GW KWK-Leistung ausreichen, um 80-90% der Residuallast-Arbeit abzudecken.

    Offene Gasturbinen haben maximal 40% Wirkungsgrad, so z.B. die Siemens SGT5 8000H oder die Kawasaki GPB300D, d.h. es gehen 60% verloren. Die Kernfrage ist die, ab wann die effizientere KWK (mit höherem CAPEX) eingesetzt werden kann, und ab wann man es sich leisten kann, die teuer geernteten CO2-freien Brennstoffe (Biomasse oder auch regenerative synthetische Gase) nur ineffektiv zu verwerten. Man darf auch nicht vergessen: immer dann wenn eine KWK-Anlage nicht läuft, muss die Wärme irgendwie anders erzeugt werden. Im Spitzenlastkessel? Der hat eine ganz schlechte exergetische Effizienz. Ich halte es angesichts des eines sektorgekoppelten, CO2-freien Szenarios es nicht zu hoch gegriffen, heute (ca 2020) ein KWK-Leistungsziel für 2050 auf 60 GW anzustreben.

    Wohlgemerkt, diese Rechenweise setzt voraus, dass zukünftig sämtliche KWK-Anlagen ausschließlich entsprechend dem (Residual-)Strombedarf im Netz gesteuert werden. Bei modernen KWK-Großanlagen z.B. von Stadtwerken ist das technisch kein Problem, die werden teilweise heute schon so gefahren. [..] Und bei den KWK-Anlagen in der Industrie (aber auch z.B. bei Hochtemperatur-Brennstoffzellen!) ist eine solche Flexibilität m.E. überhaupt nicht gegeben, so dass die Schwankungen der Residuallast allein von den restlichen KWK-Anlagen aufgefangen werden müssten. Dass eine solche Flexibilität nur erreichbar ist, wenn die wirtschaftlichen Nachteile durch entsprechende Förderung oder flexible Tarifgestaltung (oder besser beides) aufgefangen werden, versteht sich von selbst.

    Die Flexibilität in der Industrie ist vor allem eine betriebswirtschaftliche Frage. Wenn man die Abgaben, Umlagen etc. anders gestaltet, dann werden die Anlagen auch ganz anders ökonomisch optimiert. Das ist kein prinzipielles Hindernis, welches uns die Physik in den Weg legt. Und wegen der Laständerungsgeschwindigkeit von HT-Brennstoffzellen ist mein Vorschlag erstmal abzuwarten, wie sich dieses Segment der Mikro-KWK entwickelt und wenn genügend Gelder damit verdient werden, dass F+E davon bezahlt werden kann, wird vielleicht auch der Lastgradient verbessert.

    Da sind wir doch gar nicht so weit auseinander. Ich gehe nur von einer anderen Restlastkurve aus, da ich vom Jetztzustand mit 3750 TWh Primärenergiebedarf durch Verringerung von Exergieverlusten auf ein anderes Basisszenario komme als die von Dir zitierte Studie, die fragt: "4.2 Wie könnte eine Stromversorgung mit 100 Prozent Erneuerbaren aussehen?" Ich denke nunmal nicht nur an den Elektrizitätssektor, sondern an die gesamte Energieversorgung, und da ist mein akademisches Bauchgefühl, dass wir in 30 Jahren nicht mit 450-750 TWh Elektroenergie auskommen, selbst wenn im Transportsektor auf verlustreiche Verbrennungskraftmaschinen verzichtet wird und der Wärmesektor sehr viel effizienter wird.


    Gruß,
    Gunnar

  • Moin Gunnar,

    Wie kommst Du auf diese Annahme? Zum einen sind 3000 Vollbenutzungsstunden pro Jahr und darüber nicht unüblich (vgl. mit der Anlage Matthes 2015, S. 5) und warum sollte es einen Betreiber stören, selbst nur 1500 Vbh pro Jahr zu laufen, wenn er nach 30.000 Stunden die Investitionsausgabe per KWKG wieder drin hat?

    Die Annahme ist eine reine Daumenschätzung von mir und gilt in erster Linie für Mikro-KWK in Haushalt und Gewerbe (wobei es da eher 4000 als 3000 VBH sind). Eine niedrige Betriebsstundenzahl stört bei solchen Betreibern, weil dadurch der Eigenverbrauch behindert wird, und der ist nun mal der wirtschaftlich wichtigste Faktor bei Anschaffung eines BHKW. Oder man installiert zusätzlich einen Boliden von Batterie, was sich aber auf absehbare Zeit auch nicht rechnet. Und bei größeren Anlagen wird die Mimik zur Wärmeausleitung, -Speicherung und -Lieferung irgendwann teuer. Die wird man auch nicht auf ein paar hundert Betriebsstunden auslegen wollen. Aber wo dort die wirtschaftliche Grenze tatsächlich liegt, weiß ich nicht.

    Die Flexibilität in der Industrie ist vor allem eine betriebswirtschaftliche Frage. Wenn man die Abgaben, Umlagen etc. anders gestaltet, dann werden die Anlagen auch ganz anders ökonomisch optimiert.

    Richtig. Aber um es ganz klar zu sagen: Die Sektorkopplung kann und wird erst dann in Haushalt, Gewerbe & Industrie funktionieren, wenn verbrauchsabhängige Steuern, Abgaben und Umlagen auf regenerative Energieträger entweder vollständig abgeschafft oder auf sämtliche regenerativen Energieformen in exakt gleicher Höhe erhoben werden. Letzteres ist dabei schlechter, weil es die Preissignale des Marktes verwässert.


    Dass zukünftig durch die Sektorkopplung der Stromverbrauch in TWh pro Jahr deutlich höher wird als jetzt (geschweige denn niedriger), ist klar. Das sollte aber nach Möglichkeit nicht dazu führen, dass wir den Strombedarf auch in Spitzenzeiten mit hohem Anteil von Wärmekraftwerken (z.B. werktags 17:00h-22:00h bei wenig Wind) nach oben fahren. In der Zeit dürfen Wärmepumpen und häusliche Ladestationen dann eben nicht betrieben werden bzw. man muss durch zeitabhängige (bzw. eigentlich: Zeit-, PV- und Windabhängige) Stromtarife bei Verbrauch und Einspeisung dafür sorgen, dass die Marktkräfte das regulieren.


    Gruß, Sailor

    Viessmann Vitotwin 300-W (1 kWel, 6 kWth) seit 2012

    PV-Anlage 8,45 kWp (65 x Solarworld SW 130poly Ost/Süd/West, SMA 5000 TL und 3000) seit 2010

    Solarthermie Viessmann Vitosol 300 Vakuumröhren 13,8 qm (Vorgänger Flachkollektoren 14 qm 2004-2021, davor 8 qm 1979-2003)