Korrekter Abzug der Stromerzeugungskosten aus der Heizkostenabrechnung

  • Guten Tag,


    ich habe eine Frage zur korrekten Heizkostenabrechnung. Folgende Situation: Ein kleines Mehrfamilienhaus mit drei Wohneinheiten resp. drei Mietparteien, alle vermietet. Eigentümer wohnt nicht im Haus. 2013 wurde ein Mikro-BHKW (Vitotwin-300) kombiniert mit einem Brenwertkessel Vitodens 300 (für die Spitzen). Brennstoff ist Ergas.


    Der Brennstoffverbrauch liegt bei ca. 70.000 kWh im Jahr. Die Stromerzeugung des BHKW liegt um die 5000 kWh im Jahr. Der erzeugte Strom wird größtenteils an die Mieter verkauft, mit denen Stromlieferverträge abgeschlossen wurden - aktuell zu 28,8 Cent/kWh (kein Grundpreis). Da die im Haus erzeugten 5000 kWh nicht für die Deckung des Gesamtbedarfs reichen wird zusätzlich benötigter Strom durch den Eigentümer vom Netzbetreiber bezogen und zu denselben Konditionen (28,8 Cent/kWh) weiter an die Mieter verkauft.


    Im ersten Jahr nahm der Vermieter (=Betreiber des BHKW) in der Heizkostenabrechnung keine Herausrechnung der Stromerzeugubgskosten vor, sondern legte einfach die kompletten Brennstoff- und Nebenkosten (Wartung, Fernüberwachung, Kaminreinigung usw.) auf die Mieter um. Die Mieter legten Widerspruch ein.


    Jetzt macht der Vermieter folgendes: Vom Gesamtbrennstoffverbrauch (70.000 kWh) wird die erzeugte elekrtische Energie abgezogen (5000 kWh). Die Nebenkosten werden nach wie vor komplett auf die Mieter umgelegt.


    Meiner Ansicht nach ist


    a) der auf diese Weise ermittelte Abzugsbetrag zu gering, weil er von einer völlig verlustfreien Stromerzeugung ausgeht.


    b) müsste ein entsprechender Anteil Stromerzeugung auch aus den Wartungs- und sonstigen Nebenkosten der Anlage herausgerechnet werden.


    Die Mieter haben erneut Widerspruch eingelegt und den Vermieter auf die VDI Richtlinie 2077 Blatt 3.1. hingewiesen, die eine rechnerische und messtechnische Methode zur Heizkostenabrechnung bei BHKW-Anlagen in MFH vorsieht. Der Vermieter weigert sich jedoch, diese anzuwenden, und bringt vor, beide Methoden seien für ihn mit unzumutbarem Aufwand verbunden.


    Was sagen Sie als Experten dazu? Vielen Dank vorab! :)

  • Moin @pirx,


    zu den juristischen Aspekten dieser Sache möchte ich mich zurückhalten, da sind sicher andere Forumskollegen kompetenter.


    Inhaltlich lässt sich aber schon mal folgendes sagen:

    a) der auf diese Weise ermittelte Abzugsbetrag zu gering, weil er von einer völlig verlustfreien Stromerzeugung ausgeht.

    Das ist grundsätzlich richtig. Laut technischen Daten arbeitet der Stirlingmotor mit einem Wirkungsgrad von 96%. In der Praxis liegt dieser Wert erfahrungsgemäß noch niedriger (bei unserem Stirling z.B. zwischen 90 und 95%), allerdings dürfte es tatsächlich schwer sein, Letzteres nachzuweisen. Wenn also 5.000 kWh Strom erzeugt wurden, sind dafür (mindestens) 5.208 kWh Erdgas verbraucht worden.


    (In Wirklichkeit war es sogar mehr, weil etwa 6% des im Vitotwin erzeugten Stroms für Steuerung, Pumpen etc. intern verbraucht werden und gar nicht erst über den Zähler laufen. Hier kann der Vermieter m.E. allerdings mit Fug und Recht anführen, dass dieser Strom im Wesentlichen zum Betrieb der Heizung eingesetzt wurde und daher nicht berücksichtigt werden muss.)


    b) müsste ein entsprechender Anteil Stromerzeugung auch aus den Wartungs- und sonstigen Nebenkosten der Anlage herausgerechnet werden.

    Das würde ich grundsätzlich auch so sehen. Kosten für Kaminreinigung fallen bei einer Brennwertheizung nicht an, wohl aber alle drei Jahre für die Prüfung (bei uns sind das ca. 60 EUR, also 20 EUR im Jahr). Wartungskosten und ggf. weitere Nebenkosten (Reparaturen sind nicht umlegbar!) müssen m.E. nach dem gleichen Schlüssel aufgeteilt werden wie die Brennstoffkosten (es sei denn da wäre etwas dabei, was ohne jeden Zweifel ausschließlich der Stromerzeugung dient).


    Die Mieter haben erneut Widerspruch eingelegt und den Vermieter auf die VDI Richtlinie 2077 Blatt 3.1. hingewiesen, die eine rechnerische und messtechnische Methode zur Heizkostenabrechnung bei BHKW-Anlagen in MFH vorsieht. Der Vermieter weigert sich jedoch, diese anzuwenden, und bringt vor, beide Methoden seien für ihn mit unzumutbarem Aufwand verbunden.

    Die angesprochene Richtlinie kenne ich nicht und kann daher den Aufwand für ihre exakte Einhaltung nicht beurteilen. Aber für die NK-Abrechnung könnte man sich m.E. ganz einfach darauf einigen, a) den Kostenanteil des Stroms nach kWh einschl. Wirkungsgrad (also mit einem Aufschlag von 4% auf den abgelesenen Wert) anzusetzen und b) alle weiteren Nebenkosten nach dem gleichen Schlüssel aufzuteilen. Der Aufwand dafür ist für jeden, der die vier Grundrechenarten beherrscht, vernachlässigbar. Mit den Zahlen im Beispiel würde das dann so aussehen:


    Verbraucht wurden 70.000 kWh Gas. Die Kosten dafür seien 3.500,00 EUR einschl. Grundgebühr und Umsatzsteuer. Außerdem seien - sagen wir - 500,00 EUR für weitere Nebenkosten angefallen - mehr kann es eigentlich nicht sein. Erzeugt wurden 5.000 kWh Strom. Dann sieht die Rechnung wie folgt aus:


    Von den 70.000 kWh Erdgas wurden 5.000/0,96 = 5.208 kWh für die Stromerzeugung verbraucht, der Rest (64.792 kWh) für die Wärmeerzeugung. Somit würden (64.792/70.000=) 92,56% auf die Wärmeerzeugung entfallen.


    Die Gesamtkosten sind 4.000 EUR. Davon wären nach dieser Rechnung 92,56% = EUR 3.702,40 als Wärmekosten auf die Mieter umlegbar.


    Zum Vergleich: Bei gleichen Kosten würde der Vermieter nach aktueller Rechenweise die Kosten für 65.000 kWh Erdgas umlegen, also EUR 3.250,00, plus die gesamten Nebenkosten, also EUR 500,00. Zusammen sind das EUR 3.750,00. Nach dieser Rechenweise würden die Mieter also in dem Beispiel EUR 47,60 (bzw. 1,3%) mehr Umlage bezahlen als bei der genauen Rechnung.


    Aus diesem Grund würde ich Dir und Deinen Mitmietern empfehlen, das Ganze mal mit den tatsächlichen Werten durchzurechnen und dann zu entscheiden, ob es sich lohnt, für den in Rede stehenden Differenzbetrag ein großes Fass aufzumachen.


    Gruß, Sailor

    Viessmann Vitotwin 300-W (1 kWel, 6 kWth) seit 2012

    PV-Anlage 8,45 kWp (65 x Solarworld SW 130poly Ost/Süd/West, SMA 5000 TL und 3000) seit 2010

    Solarthermie Viessmann Vitosol 300 Vakuumröhren 13,8 qm (Vorgänger Flachkollektoren 14 qm 2004-2021, davor 8 qm 1979-2003)

  • Die Annahme von Prix ist richtig !


    Alle anfallenden Kosten des BHKW müssen anteilig der Strom- bzw. Wärmeherstellung zugeordnet werden.


    https://www.bhkw-infothek.de/n…-nach-vdi-2077-blatt-3-1/


    Grüße


    PS : ich würde zur Berechnung auch nicht den gesamten Gasverbrauch von 70.000kWh heranziehen sondern nur den Anteil des Vitotwin - der sollte ja schon allein für die Energiesteuerentlastung bekannt sein.
    Wenn ich es richtig sehe ist die Stromerzeugung beim Vitotwin tatsächlich nicht verlustbehaftet denn der reine Stirling wird mit 14% elt. und 86% therm. ( =100% ) Wirkungsgrad angegeben.

  • Woher sollte dem Betreiber der Brennstoffverbrauch des Vitotwin bekannt sein? Es gibt meines Wissens nur einen Gaszähler für den Gesamtverbrauch beider Geräte (Vitotwin und Vitodens). Wäre der Verbrauch des Vitotwin bekannt, könnte man ja anhand des Stromerzeugerzählers und des (meines Wissens beim Vitotwin integrierten Wärmemengenzählers) sehr einfach den Brennstoffanteil für die Stromerzeugung herausrechnen. Ebenso einfach ginge es mit einem Gesamtwärmemengenzähler. Den gibt es aber nicht - und der Eigentümer steht auf dem Standpunkt, eine Nachrüstung wäre unzumutbar teuer. Wobei er keine Zahlen genannt hat ...

  • Woher sollte dem Betreiber der Brennstoffverbrauch des Vitotwin bekannt sein?

    wie schon geschrieben , wenn er die Energiesteuerentlastung in Anspruch nimmt ist ihm auch der Brennstoffverbrauch bekannt .


    http://www.hohage-co.de/Antrag…teuer-rueckerstattung.pdf

  • Hallo,

    Woher sollte dem Betreiber der Brennstoffverbrauch des Vitotwin bekannt sein? Es gibt meines Wissens nur einen Gaszähler für den Gesamtverbrauch beider Geräte (Vitotwin und Vitodens).

    dazu stehen in der VDI-Richtlinie 2077 Blatt 3.1 gerade für Mikro-KWK-Anlagen Vereinfachungen drin, insbesondere wenn Zusatzbrenner und KWK-Einheit kombiniert sind. Ein Blick ins Regelwerk lohnt sich, weil da ein Konsens drinsteht, den sich die Fachleute als sog. allgemein annerkannter Stand der Technik ausgedacht haben. Im Falle der Brennstoffbestimmung ohne eine ganze teuere Zählerkaskade für Wärme, Gas und Strom zu installieren, macht man sich Datenblatt-Angaben zu nutze.


    Wenn ich mich recht erinnere (vgl. Fachaufsatz zur 2077-3.1) funktioniert das so, dass man die Stromerzeugung nimmt, die ja gemessen wird, und daraus mit dem elektrischen Wirkungsgrad den Brennstoffbedarf ermittelt, worauf man auf die KWK-Wärme schließen kann. Der Rest des Brennstoffs geht also in den Spitzenbrenner.


    Die 2077-3.1 wurde extra mit dem Ziel geschrieben, für Mini-KWK-Anlagenbetreiber eine Handreichung zu geben, ohne dass man die HeizkostenV noch mal extra anpassen muss. Meiner Einschätzung nach wird sich ein Richter im Streitfall daran orientieren, weil gerade zur Bestimmung der ein- und ausgehenden Energieflüsse viel Nützliches drin steht.


    Was allerdings Quatsch ist, ist die Zuordnung des Brennstoffanteils der KWK-Einheit auf die Produkte Wärme und Elektroenergie. Da nutzt die 2077-3.1 ein sog. kalorisches Verfahren = energetische Äquivalenzzifferallokation. Das unterstellt das eine kWh_el eine kWh_th ist. Das ist natürlich thermodynamischer Blödsinn, weil die energiebasierte Zuordnung zwar den Energieerhaltungssatz einhält, aber nicht den zweiten Hauptsatz (Entropie nimmt zu, d.h. Exergie nimmt ab). Hier hat die 2077 deutliche Schwächen, aber ich glaube nicht dass das einen Jurist stört.



    Wie es meiner Einschätzung (und der von ein paar wenigen KWK-Spezis auch) besser gemacht wird, ist eine exergetische Allokation, auch als Carnot-Methode bekannt. Sie wurde nach Sadi Carnot getauft, weil der Carnot'sche Wirkungsgrad benutzt wird, um den Arbeitswert der Wärme festzustellen. Damit kann man Birnen (Wärme) und Äpfel (Strom) vergleichen, weil ein gleicher Arbeitswert = Exergiegehalt auch bedeutet, dass man beide Energieformen ineinander überführen kann (unter der Annahme eines perfekten Gütegrades von 1, aber irgendwo muss man immer Vereinfachungen treffen, auch damit die Pfadunabhängigkeit bewaht wird, d.h. weder die Wandlung von Wärme in Strom noch die von Strom in Wärme wird rechnerisch bevorzugt).



    Die Carnot-Methode wird aber von vielen Mini-BHKW Verkäufern nicht so gern gesehen, weil mit der kalorischen Methode Wärme und Strom gleich behandelt werden (trotz unterschiedlichem Arbeitswert = Exergiegehalt, d.h. dem wertvollen Anteil der Energie). Strom ist deswegen vergleichsweise billig, die Wärme im Gegensatz zur physikalischen Realität vergleichsweise teuer. Da man die Heizwärme ohne groß zu Fragen an die Hausbewohner umlegen kann, den Strom aber im Wettbewerb verkaufen muss, sind BHKW-Hersteller und Betreiber nicht besonders scharf darauf, die Gestehungskosten für den Strom teuer werden zu lassen, weil sie dann damit weniger Geld verdienen können. Wärmeabsatz ist eh ein Nullsummenspiel.

    Zitat von Besserwisser

    Aus diesem Grund würde ich Dir und Deinen Mitmietern empfehlen, das Ganze mal mit den tatsächlichen Werten durchzurechnen und dann zu entscheiden, ob es sich lohnt, für den in Rede stehenden Differenzbetrag ein großes Fass aufzumachen.

    Dieser Aussage schließe ich mich voll und ganz an, und würde auf keine Fall Zoff mit dem Vermieter nur wegen ein paar Euros riskieren. Was man aber machen kann, ist sich mit den anderen beiden Mietparteien zusammensetzen und eine Alternativrechnung präsentieren. Mal schauen, wie der Vermieter reagiert, und ob er auch bei einer guten nachvollziehbaren Präsentation dies so akzeptiert, um selbst Zoff aus dem Weg zu gehen - bekannterweise sind Richter oft mieterfreundlich, insbesondere wenn sie sich auf ein Dokument wie die VDI-Richtlinie stützen können.


    Datenblatt Vitotwin 300:
    ■ Stirling Motor: 1 kW_el, 5,7 kW_th, Gesamtwirkungsgrad 96 % (H_s)/107% (H_i).
    ■ Spitzenlastkessel: 6 bis 20 kW, Nutzungsgrad 98 % (H_s)/109 % (H_i).


    Bei 70.000 kWh Gesamtbezug Gas und 5.000 kWh erzeugter Elektroenergie komme ich auf einen Brennstoffeinsatz für das KWK-Modul: 5.000 kWh / ((1/(1+5,7))*0,96) = 34895 kWh
    eta_el = 1/(1+5,7)*0,96 = 14,3% ist der elektrische Wirkungsgrad


    eta_el = 5,7/(1+5,7)*0,96 = 81,7% ist der thermische Wirkungsgrad


    s = 1/5,7 = 0,175 ist die Stromkennzahl



    Großzügig aufgerundet gehen 35.000 kWh ins KWK-Modul und der Spitzenlastbrenner braucht die anderen 35.000 kWh. Die Hälfte der Gasrechnung kann also ohne groß zu fragen per HeizkostenV umgelegt werden. Der Rest wird wie folgt auf der Stromerzeugung zugeordnet, bzw. der Wärme.


    Energetische Methode
    Output elektrisch = 5.000 kWh (gemessen)
    Output thermisch = 5.000 kWh/ s = 28.500 kWh


    Allokation nach Energiegehalt
    a_el = 35000 kWh * 5000/(5000+28500) = 5224
    a_th = 35000 kWh * 28500/(5000+28500) = 29776


    (man erkennt, dass der spezifische Brennstoffgehalt des Stroms und der Wärme gleich ist: 1.0448 und die Gleichbehandlung von Strom und Wärme ist physikalischer Unsinn).


    Exergetische Methode
    Annahme: Carnot-Faktor = 0,2
    (Hängt von üblichen VL/RL Temperatur ab, hier entspricht es etwa 70°C Mitteltemperatur und 0°C Aussentemperatur)


    Exergetischer Output
    Ox_el = 5.000 kWh * 1 = 5.000 kWh
    Ox_th = 28500 kWh * 0,2 = 5.700 kWh


    Allokation nach Exergiegehalt
    a_el = 35000 kWh * 5000/(5000+5700) = 16355 kWh
    a_th = 35000 kWh * 5700/(5000+5700) = 18645 kWh


    Der spezifische Brennstoffgehaltes des Stromes ist 16355/5000 = 3,27, der Wärme 18645/28500 = 0,654. Für eine Einheit Wärme braucht man nur 2/3 Einheiten Brennstoff, aber der Strom ist mit über 3 Einheiten Brennstoff deutlich teurer (aber auch wertvoller, da man ihn mit einer guten Wärmepumpe COP=4 in vier Wärmeeinheiten wandeln könnte).



    Mit der exergetische Allokation wird die Wärmeversorgung deutliche billiger und Bewohner eines Hauses, das nach HeizkostenV (= Umlage der entstehenden Kosten) versorgt wird, kommen besser weg. Allerdings verdient der Stromverkäufer aufgrund der höheren Stromgestehungskosten deutlich weniger und der Anreiz, in ein Mini-BHKW zu investieren und in Vorleistung mit einer CAPEX reichen Heizung zu gehen, könnte schwinden.



    Gruß,


    Gunnar

    Ist die Wärme kraftgekoppelt, wird die Energie gedoppelt. (Ulli Brosziewski)

    Einmal editiert, zuletzt von gunnar.kaestle ()

  • Langsam frage ich mich, ob die Mieter hier einfach nur verarscht werden.

    Glaube ich nicht: Der Vermieter hat wohl einfach keine Ahnung, was im Detail die stromerzeugende Heizung kann und will sich auch wirklich nicht damit beschäftigen. Wie schon oben geschrieben, wird die VDI 2077 keine wesentlichen Änderungen zum Jetztzustand ergeben, nur die thermodynamisch korrekte Carnot-Methode wird die Wärme günstiger machen, da sie nur mit dem physikalisch begründbaren Arbeitswert rechnet.


    Daher räume ich euch drei Mietparteien nur geringe Chancen ein, auf einen Richter zu treffen, der nebenher auch ein Physik-Diplom hat und daher der Carnot-Methode den Vorzug gegenüber dem VDI-Dokument 2077 gibt (BTW: die VDI-Richtlinie 4608 Blatt 2 empfielt die exergetische Allokation).


    Was man / ihr allerdings tun könnt, wäre dem VDI eine Rückmeldung zu geben, wo es in der Anwendung der 2077-3.1 hakt. Das hatten wir vor zwei Jahren mal angestoßen - weiss nicht inwieweit die Initiative zur Überarbeitung der Norm im Sande verlaufen ist oder ob sich da was bewegt hat. Wenn ich recht informiert bin, hat man sich bei der Frage Energie vs. Exergie bei der Erstellung der Norm noch keine großen Gedanken gemacht und eher auf die Details drumherum geachtet.


    Gruß,
    Gunnar

    Ist die Wärme kraftgekoppelt, wird die Energie gedoppelt. (Ulli Brosziewski)

  • Tja, ich dachte bisher auch, es hakt beim Verständnis der VDI-Richtlinie (wobei die professionelle Wärmeabrechnungsfirma eigentlich die nötige Kompetenz haben sollte). Aber der Witz ist ja: Da der Vitotwin-300 W alle nötigen Zähler bereits integriert hat (Gas, Strom, Wärmemenge) , ist die Berechnung ein Kinderspiel. Uns Mietern wurde aber - unter Berufung auf angebliche Auskünfte des Herstellers und der Installationsfirma - weisgemacht, die messtechnische Methode würde eine teure technische Nachrüstung (Gesamtwärmemengenzähler) erfordern und sei deshalb unzumutbar.

  • Wäre der Verbrauch des Vitotwin bekannt, könnte man ja anhand des Stromerzeugerzählers und des (meines Wissens beim Vitotwin integrierten Wärmemengenzählers) sehr einfach den Brennstoffanteil für die Stromerzeugung herausrechnen.

    Das Vitotwin hat einen eingebauten Gaszähler, der ausschließlich den Gasverbrauch des Stirlingmotors misst (also nicht den Verbrauch der im Vitotwin eingebauten Gastherme). Diesen Zählerstand muss der Vermieter ohnedies jedes Jahr zum 31.12. ablesen, damit er beim HZA die Erstattung von Energiesteuer gemäß § 53a EnStG beantragen kann.


    Das Vitotwin hat auch einen integrierten Wärmemengenzähler. Dieser zählt die gesamte abgegebene Wärme, also aus dem Stirlingmotor und aus der eingebauten Zusatztherme.

    Viessmann Vitotwin 300-W (1 kWel, 6 kWth) seit 2012

    PV-Anlage 8,45 kWp (65 x Solarworld SW 130poly Ost/Süd/West, SMA 5000 TL und 3000) seit 2010

    Solarthermie Viessmann Vitosol 300 Vakuumröhren 13,8 qm (Vorgänger Flachkollektoren 14 qm 2004-2021, davor 8 qm 1979-2003)

  • Das Vitotwin hat einen eingebauten Gaszähler, der ausschließlich den Gasverbrauch des Stirlingmotors misst (also nicht den Verbrauch der im Vitotwin eingebauten Gastherme). Diesen Zählerstand muss der Vermieter ohnedies jedes Jahr zum 31.12. ablesen, damit er beim HZA die Erstattung von Energiesteuer gemäß § 53a EnStG beantragen kann.


    Das Vitotwin hat auch einen integrierten Wärmemengenzähler. Dieser zählt die gesamte abgegebene Wärme, also aus dem Stirlingmotor und aus der eingebauten Zusatztherme.

    Nun, es geht ja darum, ob man mit den Messdaten des Vitotwin berechnen kann, wie hoch der jeweilige Brennstoffanteil für Strom- bzw. Wärmeerzeugung ist.


    Beim Output kein Problem: Gesamte abgegebene Wärme (Stirling + Zusatztherme) - wird gemessen.


    Aber beim Input: Nur der Gasverbrauch des Stirlingmotors wird gemessen, nicht der der Zusatztherme.


    Was ich jetzt noch nicht überprüft habe, ist, ob der Vitodens-300 einen integrierten Verbrauchszähler hat. Dann wäre es einfach aus der Differenz zum Gesamtverbrauch zu berechnen.

  • Aber beim Input: Nur der Gasverbrauch des Stirlingmotors wird gemessen, nicht der der Zusatztherme.

    Wozu ???
    Alle Kosten vom Zusatzbrenner des Vitotwin + Vitodens sind voll Umlagefähig, es muß also keine Abgrenzung geben. Klar gibt es damit eine kleine Unschärfe im Schlüssel aber das macht sich nur bei den Wartungskosten bemerkbar.


    Grüße

  • Das ist unstrittig. Meine Frage war, ob die Messtechnik des Vitotwin in der Lage ist, den jeweiligen Brennstoffanteil für Wärme und Strom zu erfassen.


    Ansonsten reicht mir die von Gunnar referierte rechnerische Methode:

    dass man die Stromerzeugung nimmt, die ja gemessen wird, und daraus mit dem elektrischen Wirkungsgrad den Brennstoffbedarf ermittelt, worauf man auf die KWK-Wärme schließen kann

    Nur, falls messen ohne Nachrüstungsaufwand möglich ist, wäre das natürlich die erste Wahl. Das sieht der VDI in der 2077 - 3.1. übrigens genauso.


    Die höhere Thermodynamik mit Exergiekonzept, Carnot-Methode usw. ist mir ohne weiteres Selbsstudium leider etwas zu hoch, aber irgendwie witzig, dass selbst die Vereinten Ingenieure hier ihre Verständnisschwierigkeiten haben.

  • Zitat von pirx

    Nun, es geht ja darum, ob man mit den Messdaten des Vitotwin berechnen kann, wie hoch der jeweilige Brennstoffanteil für Strom- bzw. Wärmeerzeugung ist.


    Beim Output kein Problem: Gesamte abgegebene Wärme (Stirling + Zusatztherme) - wird gemessen.
    Aber beim Input: Nur der Gasverbrauch des Stirlingmotors wird gemessen, nicht der der Zusatztherme.

    Die VDI 2077 Blatt 3.1 (kann man sich gerne für 80 Euro bei persönlichem Interesse auch mal selber kaufen), taugt was, wenn es darum geht, die verschiedenen Energieströme zu ermitteln, selbst wenn man es nur indirekt macht. Wie Alikante oben schrieb, kann der Vitotwin an sich alle Werte selber messen, man muss sie nur aus dem Gerät auslesen. Am Ende hat man also den Gasverbrauch der KWK-Einheit (d.h. der Rest des am Hauptzähler registrierten Gases ist in den Zusatzbrenner geflossen) und den Output in elektrischer und thermischer Energie.


    Die VDI 2077-3.1 kann aber auch ohne diese Messwerte über eine rechnerische Methode mittels der Wirkungsgrade der KWK-Anlage aus dem Datenblatt diese Werte ermittelt.


    Was die VDI 2077-3.1 falsch macht (und mit falsch meine ich hier kein juristisches falsch, sondern ein physikalisches falsch) ist die Grundannahme, dass eine kWh Wärme genauso zu bewerten ist wie eine kWh Elektrizität. Das ist eine normative Vereinbarung, die den physikalischen Realitäten widerspricht. Die technische Arbeitsfähigkeit (= Exergie) von Wärme ist ungleich der von elektrischer Energie. Letztere hat 1 und bei der Wärme ist es der Carnot'sche Wirkungsgrad, der wesentlich von dem Temperaturniveau der Nutzwärme abhängt (ηcarnot= 1 - Ti/Ts mit Ti = untere Temperatur, inferior, der Umgebung und Ts = obere Temperatur, superior, der Nutzwärme).


    Aus Gründen des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik kann man Wärme in mechanische oder elektrische Energie überführen und umgekehrt, aber dabei muss man die Wertigkeit der Energien gemäß ihrer Arbeitsfähigkeit bzw. ihres Exergiegehalts beachten, sonst baut man bei anderen "Wechselkursen" ein ökonomisches Perpetuum Mobile.


    Gruß,
    Gunnar

    Ist die Wärme kraftgekoppelt, wird die Energie gedoppelt. (Ulli Brosziewski)