KWK in Verbindung mit unserer Sonne

  • Was heute unter dem Schlagwort "Sektorkopplung" gehandelt wird, ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nichts anderes als eine Rückkehr der Elektroheizung.
    Die Argumentationslinie geht etwa so:
    - Wir haben mehr Erneuerbaren-Strom im Netz, als wir benötigen
    - Also verwenden wir ihn dazu, Wärme zu erzeugen, sei es mit Heizstab oder mit Wärmepumpe...


    Nur:
    - Es gab noch nie einen Zeitpunkt, wo die Menge des verfügbare Erneuerbaren-Stroms größer gewesen wäre als der Verbrauch zum gleichen Zeitpunkt. Wenn es einen "Überschuss" gab, dann deswegen, weil zur gleichen Zeit fossile Kraftwerke bollerten. Letzteres hat aber vor allem mit den Gewinnen der fossilen Kraftwerksbetreiber zu tun.
    - Dann, wenn Heizenergie in großem Umfang benötigt wird, haben wir v.a. in Süddeutschland praktisch keinen Erneuerbaren-Strom zur Verfügung (und auch im Norden nicht zuviel).
    Den Strom dann in Heizungen zu verklappen ist schlicht unwirtschaftlicher Frevel! Denn die hochgelobten Wärmepumpen sind dann nichts als Elektroheizungen


    Dennoch denke ich, dass zukünftige Heizungskonzepte Erneuerbaren-Strom mit einbeziehen können und sollten, aber eben unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verfügbarkeit.
    Dies sollte aber immer als Hybrid-Heizung erfolgen, sodass bei großer Kälte mit BHKWs oder auch Gasbrennern geheizt wird. Sonst wird die Abhängigkeit von der fossilen Strommafia noch größer...

    PV Anlage 4,9 kW, 20 * Trina 245W, WR Imeon 9.12, 3-phasig, On/Off Grid

    Batterie Hawker 48V, 575Ah, E-Auto Renault Zoe

  • Moin,


    da ich diesen Thread immer noch abonniert habe (auch wenn sich die Thematik vom Threadstart inzwischen doch ziemlich entfernt hat), sag' ich auch noch mal was dazu.

    - Es gab noch nie einen Zeitpunkt, wo die Menge des verfügbare Erneuerbaren-Stroms größer gewesen wäre als der Verbrauch zum gleichen Zeitpunkt. Wenn es einen "Überschuss" gab, dann deswegen, weil zur gleichen Zeit fossile Kraftwerke bollerten. Letzteres hat aber vor allem mit den Gewinnen der fossilen Kraftwerksbetreiber zu tun.

    Das ist richtig. Aber wenn wir die regenerativen Energien weiter ausbauen (um deren Anteil an der Stromerzeugung zu erhöhen), wird das Problem mit der Fluktuation jedes Jahr größer. M.E. werden spätestens in zwei oder drei Jahren die ersten "echten" Überschüsse auftreten. Ohne die Windanlagen-Abregelungen wegen lokaler Netzüberlastung hätten wir sie wahrscheinlich schon heute. Deswegen ist es durchaus vernünftig, sich jetzt schon um die Sektorkupplung zu kümmern: Die meisten Ansätze dazu stecken ja noch in den Kinderschuhen, und ohne Sektorkopplung werden wir die Energiewende nicht schaffen.


    - Dann, wenn Heizenergie in großem Umfang benötigt wird, haben wir v.a. in Süddeutschland praktisch keinen Erneuerbaren-Strom zur Verfügung (und auch im Norden nicht zuviel).
    Den Strom dann in Heizungen zu verklappen ist schlicht unwirtschaftlicher Frevel!

    Elektroheizungen eignen sich in der Tat kaum, um überschüssigen Windstrom zu nutzen, auch wenn der im Winter häufiger auftritt als im Sommer, denn wenn wenig Wind weht (und das ist immer noch 70-80% der Zeit) muss auch geheizt werden. Eine gewisse Abhilfe können Wärmespeicher sein: Die sind (kWh für kWh) weit günstiger als gleich große Stromspeicher. Aber Wärme für mehr als ein paar Tage zu speichern ist auch teuer und eignet sich sicher nicht als flächendeckender Ansatz.


    Trotzdem sehe ich zukünftig auch Heizstäbe in Verbindung mit Tagesspeichern als sinnvollen und kostengünstigen Ansatz um bei Bedarf "Stromsenken" zu schaffen und ansonsten abgeregelten oder zu negativen Preisen ins Ausland verschleuderten Windstrom sinnvoll zu nutzen. Damit meine ich folgendes:


    Wir betreiben unser BHKW und unsere Solarthermie an einem 750l Pufferspeicher, in den auch eine 6 kW-Heizbirne eingebaut ist. Die wird normalerweise nicht betrieben, sondern dient als Not-Wärmeversorgung, wenn die Heizung ausfällt. Früher haben wir sie in den Sommermonaten, wenn die Ölheizung ausgeschaltet war, als gelegentliche Nachtstrom-Zusatzheizung für die Solarthermie benutzt. Gekostet hat das Ding mal ein paar hundert Euro, also wenig im Vergleich zu den Kosten einer ST-Anlage oder gar eines BHKW. Deshalb nehme ich an, dass die meisten ST-Speicher über eine Heizbirne bereits verfügen oder eine solche kostengünstig nachgerüstet werden kann. Der Speicher ist "eh da".


    Derzeit gibt es in Deutschland 2,2 Mio Solarthermieanlagen, sowie ein paar zehntausend BHKW's mit solchen Speichern. Diese sind im Winterhalbjahr (wo die meisten Windüberschüsse auftreten) mangels Sonne entweder kalt oder werden mit fossilen Energien zur Heizungsunterstützung betrieben. Angenommen jeder dieser Speicher wäre mit einer 6 kW Heizbirne ausgestattet, die zukünftig in Zeiten des Stromüberschusses zentral über RSE oder Smart Meter Gateway eingeschaltet und mit (dann selbstverständlich kostenlosem und abgabenfreiem) Überschuss-Strom betrieben werden kann, so könnte man flächendeckend bis zu 13 GW überschüssiger Windenergie in Nutzwärme umwandeln. Weil dafür (ggf. mit Ausnahme eines besseren Leitungsnetzes, das wir aber sowieso brauchen) kaum Investitionen notwendig sind, macht es nichts, wenn jede Anlage wahrscheinlich nur ein paar Stunden im Jahr läuft.


    So etwas kann natürlich nur einer unter Dutzenden (wenn nicht Hunderten) von Ansätzen der Sektorkopplung sein. Die Mischung macht's. Aber es ist nun mal so, dass hochwertige Lösungen (z.B. Strom-zu-Wasserstoff) ausnahmslos erhebliche Investitionen erfordern und sich daher nur rechnen, wenn sie wenigstens ein paar Tausend Stunden im Jahr betrieben werden können. Um Spitzen zu nutzen, die im zwei- oder dreistelligen Stundenbereich auftreten, brauchen wir flexible Billiglösungen - und die billigste Lösung ist die Umwandlung von Strom in Nutzwärme in Anlagen, die sowieso schon da sind.


    Elektrische Wärmepumpen können ein anderer sinnvoller Ansatz der Sektorkopplung sein, nämlich wenn sie regional in einem ausgewogenen Verhältnis zu BHKW's stehen. Angenommen ein Dachs erzeugt (wenn er läuft) 10,5 kW Wärme für ein Haus und 5 kW Strom, von denen im Mittel 3,5 kW ins Netz eingespeist werden. Wenn jetzt der Nachbar in einem Haus mit gleichem Wärmebedarf eine Wärmepumpe mit 3,5 kW Leistungsaufnahme und einer Leistungszahl von 3 betreibt, so erhält er ebenfalls 10,5 kW Wärme. Natürlich laufen beide Geräte selten gleichzeitig, aber wenn man einige tausend BHKW's und Wärmepumpen hätte, so wären Stromerzeugung und -Verbrauch zu jeder Tages- und Jahreszeit nahezu exakt gleich. Weil jeder Ort einen Mix von Häusern hat, die sich für BHKW's (große Häuser) bzw. Wärmepumpen (kleine gut isolierte Häuser) eignen, kann der Ausgleich ohne Stromspeicher oder gar zusätzlichen Kraftwerks- oder Überlandleitungs-Bedarf über das Niederspannungsnetz erfolgen. (Und wenn zu viel Wind weht, können die BHKW's vorübergehend ausgeschaltet und die ohnedies vorhandenen Pufferspeicher wie oben beschrieben mit der Heizbirne erwärmt werden.)


    Dass der Begriff "Sektorkopplung" von manchen missbraucht wird, um (de facto zu 80% mit Braunkohlestrom betriebene) Speicherheizungen zu propagieren, ist eine Schweinerei, aber da kann der Begriff nichts dafür. Richtig betriebene Sektorkopplung wird zukünftig eine entscheidende Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende sein.


    Gruß, Sailor

    Viessmann Vitotwin 300-W (1 kWel, 6 kWth) seit 2012

    PV-Anlage 8,45 kWp (65 x Solarworld SW 130poly Ost/Süd/West, SMA 5000 TL und 3000) seit 2010

    Solarthermie Viessmann Vitosol 300 Vakuumröhren 13,8 qm (Vorgänger Flachkollektoren 14 qm 2004-2021, davor 8 qm 1979-2003)

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