Äquivalenter oder Effektiver Wirkungsgrad?


  • die Frage warum Gunnar das hier so kompliziert ausdrückt wird in einem anderen Beitrag von Ihm beantwortet. Es ist für Bürokraten gedacht die irgendwo in Brüssel Gesetze machen und dabei von der Lobby getriggert werden. Die Exergetische Methode ist rein wissenschaftlich und deshalb unempfänglich für Beeinflussung jeglicher Lobby Arbeit.


    Jein. Erstmal ist Lobby-Arbeit nichts schlimmes - das mache ich ja auch: pro KWK, einfach weil es eine gute exergiespar Technik ist. Lobbyisten habe oft mehr Ahnung vom Thema als Vertreter der Executive, die einen Referentenentwurf zimmern müssen. Aber es wird halt kritisch wenn das Gezerre um ein Thema losgeht, und weniger Sachargumente vertreten werden, als Partikulärinteressen und der mit dem lautesten Geschreie oder dem besten inoffiziellen Draht am ehesten Gehör gewinnt.


    Zitat

    In the context of energy efficiency policy implementation, a so-called Primary Energy Factor (PEF) has been used to transform electricity consumption into primary energy consumption. Directive 2012/27/EU on energy efficiency (the "EED") establishes in Annex IV a default coefficient of 2.5 which may be applied by Member States when transforming electricity savings into primary energy savings.
    This value is used by several implementing regulations under the Ecodesign and Energy Labelling Directives that cover both products using electricity and products using other fuels such as gas or liquid fuels, for comparing the efficiency of these products, including household tumble driers and space and water heaters. The Commission is reviewing the Energy Labelling Directive and certain aspects of the Ecodesign Directive, and in this context some stakeholders have requested a review of whether the approach of using a PEF should be maintained in the future, and if this is the case, which value should be used and how it should be determined.

    Quelle: Primary Energy Factor (PEF) - Discussion Paper


    Die exergetische Methode hat einen wissenschaftlichen Hintergrund und ist in sich geschlossen, hat keine methodischen Schwächen weder in der Herleitung noch in den Auswirkungen. Momentan geht die EU noch von der Substitutionsmethode aus (Restwert), mit einem angenommenen Wirkungsgrad von 40% für den durchschnittlichen Kraftwerksmix. Für die KWK haben wir in DE den Verdrängungsmix etabliert, der die Vorgänge im Referenzsystem genauer abbildet. Es muss aber nicht sein, dass die EU das übernimmt. Daher finde ich es so wichtig, dass man einer referenzsystemfreie Zuweisung des Brennstoffes auf die beiden Produkte Strom und Wärme anstelle dessen nutzt. Dann gibt es eben kein Gezerre mehr (wie bei der EnEV) welcher Faktor für den Strom zu nutzen ist.


    Trotz der schönen Eigenschaften der Carnot-Methode interessiert das die Branche weniger, wenn sie vorerst mit dem Status Quo irgendwie über die Runden kommt. Jede Änderung bedingt einen Änderungsaufwand und kostet Geld. Daher muss man dann doch mit den Partikulärinteressen locken, die die exergetische Aufteilung mit sich bringt.
    Es geht ja nur um die Aufteilung des Brennstoffes auf Strom und Wärme, es ist also ein rechte Tasche linke Tasche spiel. Jedoch wird bei der Wärme genauer auf den PEF geschaut (EnEV + Co), wohingegen beim Strom der PEF (noch) mehr oder weniger egal ist. Die Carnot-Methode weist lauwarmen Wasser nur einen geringen Wert zu, d.h. die Wärme wird billiger und der Strom etwas teuerer. Weiterhin glaube ich dass ein Einzug in die Wärmekostenabrechnung das Thema Mini-KWK auch für MfH interessanter machen könnte. Der Hausbesitzer oder alle Mieter/WE-Eigentümer würden von günstigen Wärmepreisen profitieren, die kalkulatorischen Kosten für den Strom gingen aber in die Höhe, so dass noch starker der Eigenverbrauch als Vertriebsmittel genutzt werden müsst.


    Die Carnot-Methode teilt den Vorteil der KWK gemäß der exergetischen Wertigkeit auf, bei der Restwertmethode geht der Vorteil allein auf ein Produkt, z.B. den Strom, wenn ein Kesselwirkungsgrad als Referenz genommen wird, bei der Finnischen Methode / Gesamteffizienzmethode wird der Vorteil halbe halbe geteilt. Die Physik ist aber am Ende das Maß aller Dinge, und so habe ich einen kurzen Essay verfasst, der sich dafür auspricht, dass es auch aus wirtschaftlichen Gründen geboten ist, den Naturgesetzen zu entsprechen ("nicht gegen den Wind der Thermodynamik pinkeln").


    Gruß,
    Gunnar


    Ist die Wärme kraftgekoppelt, wird die Energie gedoppelt. (Ulli Brosziewski)

  • Hallo Gunnar,


    jetzt fehlt nur noch ein Beispiel aus der Praxis welche Strom- und Wärmepreise sich nach Deiner Rechnung für ein 1 kW BHKW ergeben.
    Bitte nachreichen.



    Mit freundlichen Grüßen

  • Lieber Gunnar,
    spannenden Zeiten hier im Forum!
    - Du kümmerst Dich um die korrekte Ausweisung jeglicher Entropiezunahme ;)
    - gleichzeitig zündeln andere Foristi mit eHeizstäben rum, bzw. werden oder fühlen sich Falle von nicht mehr geförderten BHKWs dazu gezwungen. :(


    Wir leben diesbezüglich leider in einer verdrehten Zeit, in der durch unser derzeitiges menschliches Handelsgebaren, Börse, EEX etc. die Sekundärenergie günstiger werden ließ als die Primärenergie, zumindest soweit wir dieses auf den fossilen Betrieb von KWK in der Größenordung der meisten Foristi hier beziehen.


    Zusammengefasst: Die Carnot-Methode dient der Bewertung der Energieströme an der Übergabestelle.

    Ja, bin hier 100% bei Dir, ich finde es auch sehr gut wie smart Du hier diese objektiv richtige Position vertrittst!


    KWK-Anlage mit ORC

    Ebenfalls ja, nur es wird sich leider auf absehbare Zeit nicht lohnen derartige oder vergleichbare Technologien bei KWK basierten Heizungen in unserer Größenordnung einzusetzten. Es macht auch sicherlich nicht wirklich Sinn dem Exergieverlust an dieser Stelle hinterher zu weinen. Ein riesiger Schritt wäre es die KWK mit Ihren heute schon vergleichsweise hohen Exergievorteilen überhaupt in diesem Bereich hoffähig zu machen, was man Dir natürlich als ausgewiesener KWK-Freund mit Sicherheit nicht zu sagen braucht.


    effektiver Wirkungsgrad der Wärmeerzugung 180% und er freut sich dass er besser ist als der Brennwertkessel mit 111%.

    Da liegt wahrscheinlich mein Hauptproblem mit der Sache, obwohl defintionsgemäß alles korrekt ist, habe ich mit derartigen Defintionen und Konventionen immer das Gefühl, dass man mir hier etwas unterjubeln möchte und man immer erst genau fragen muss wie es eigentlich gemeint ist.

    dann ist 15 Prozentpunkte Abwärmeverlust genausoviel wie 3 Prozentpunkte bei Strom.


    Ja, auch hier hast Du natürlich recht, dennoch sei es thermodynamichen nicht ganz so versierten Zeitgenossen erlaubt zu fordern: elektrischer Wirkungsgrad so viel wie möglich und Abgaswärmeverlust so wenig wie möglich.
    Last not least, danke auch von mir für Deine umfangreiche Darstellung, mal in in anderen Kategorien zu denken.

  • jetzt fehlt nur noch ein Beispiel aus der Praxis welche Strom- und Wärmepreise sich nach Deiner Rechnung für ein 1 kW BHKW ergeben. Bitte nachreichen.



    Bitteschön, hier ist der Link


    Bei dem Stirling (Werte auf Brennwert Hs bezogen) habe ich mich übrigends vertippt:
    6 / 1,5 ergibt 4 ct/kWh (Wärme) bei 20 ct/kWh (Strom)
    Die Wartungskosten habe ich in diesem Fall als fix gewertet, da die jährliche Brennerwartung unabhängig von der Laufzeit ist.


    Bei der Viessman-Brennstoffzelle (kennt jemand da die Wartungspreise?) ergeben sich - nur die reinen Brennstoffkosten:
    6 ct/kWh / 0,4 = 15 ct/kWh_el
    6 ct/kWh / 2 = 3 ct/kWh_th


    Andere Gaspreise bitte selbstständig ersetzen.


    Gruß,
    Gunnar

    Ist die Wärme kraftgekoppelt, wird die Energie gedoppelt. (Ulli Brosziewski)

    Einmal editiert, zuletzt von gunnar.kaestle ()

  • Hallo Gunnar,


    Bei 4000 Betriebsstunden im Jahr gäbe das bei 3000 kWh selbst genutztem Strom einen Deckungsbeitrag von 3000 x (24 - 20 Cent) = 120 Euro.
    1000 kWh Stromverkauf x (4 - 20 Cent) = minus 160 Euro
    21200 kWh Wärme x (7-4 Cent) = 636 Euro
    In der Summe sind das 600 Euro.


    Um nach 10 Jahren mit Plus/Minus Null abzuschließen, darf das BHKW unter der Vorausetzung das innerhalb der 10 Jahre keine Reparaturen anfallen maximal 6.000 Euro kosten. Ist das realistisch?


    Weiterhin bedarf es für 3000 kWh selbst genutzten Strom in 4000 Stunden eines Jahresstromverbrauchs in Richtung 10000 kWh.
    Interessant wären natürlich auch die Wirkungsgradangaben für ein BHKW ohne Brennwertnutzung. Da sieht es nämlich noch trüber aus.



    Mit freundlichen Grüßen

  • Bei dem Stirling (Werte auf Brennwert Hs bezogen) habe ich mich übrigends vertippt:
    6 / 1,5 ergibt 4 ct/kWh (Wärme) bei 20 ct/kWh (Strom)
    Die Wartungskosten habe ich in diesem Fall als fix gewertet, da die jährliche Brennerwartung unabhängig von der Laufzeit ist.

    Hallo Gunnar,


    auf jeden Fall ein interessanter Ansatz. Bei Stirling sollte man vielleicht folgendes beachten: Die von Dir angesetzten Heizwärme-Temperaturen (VL=80°C, RL=60°C) sind für ein Stirlinggerät viel zu hoch. Würde man ein Stirlinggerät bei solchen Temperaturen betreiben, wäre der Brennwerteffekt vollständig dahin, und der Gesamtwirkungsgrad läge eher bei 84% als bei 96%.


    Setzt man in Deiner Excel-Tabelle VL=50°C und RL=30°C ein, so errechnet die Tabelle für den Stirling ceteris paribus (habe sonst nichts geändert: Wo Du Dich in der Tabelle vertippt hast, habe ich nicht gefunden) für den Wert des Stroms € 204,25 €/MWh (25% mehr) und für den Wert der Wärme 26,10 €/MWh (21% weniger).


    Ich frage mich allerdings, ob es beim exergetischen Ansatz richtig ist, die Heizkreistemperaturen heranzuziehen. Die sind nun mal abhängig von Art und ggf. Unzulänglichkeiten des installierten Heizsystems. Was doch für den Benutzer wirklich zählt, ist die warme Bude, und die hat (je nach Nutzergewohnheit) 20-22°C, in Badezimmern vielleicht auch 24°C. Beim Warmwasser (20% des Wärmeverbrauchs) sind es 60°C. Im Mittel ergeben sich dann ca. 30°C, und die sollten m.E. hier angesetzt werden.


    Gruß, Sailor

    Viessmann Vitotwin 300-W (1 kWel, 6 kWth) seit 2012

    PV-Anlage 8,45 kWp (65 x Solarworld SW 130poly Ost/Süd/West, SMA 5000 TL und 3000) seit 2010

    Solarthermie Viessmann Vitosol 300 Vakuumröhren 13,8 qm (Vorgänger Flachkollektoren 14 qm 2004-2021, davor 8 qm 1979-2003)

  • Um nach 10 Jahren mit Plus/Minus Null abzuschließen, darf das BHKW unter der Vorausetzung das innerhalb der 10 Jahre keine Reparaturen anfallen maximal 6.000 Euro kosten. Ist das realistisch?


    Nein. Es darf nach Deiner Modellrechnung 6.000 Euro mehr kosten als eine vergleichbare Anlage. Wenn man nach EWärmeG noch irgenwelche Vorgaben zu erfüllen hat, ist die Alternative Brennwertkessel mit Solaranlage. Meist rechnet man als weiteren Vorteil auch die Förderung nach EnEV-Übererfüllung hinein, weil es dann günstigere Kreditkonditionen von der KfW gibt. Somit lässt sich das mit den verschiedenen Sondertöpfen durchaus rechtfertigen - wobei ich aber glaube, dass man so ein Teil einfach haben will, und dann geht die Rechtfertigung mit der Finanzierung auch irgendwie glatt.


    Gruß,
    Gunnar

    Ist die Wärme kraftgekoppelt, wird die Energie gedoppelt. (Ulli Brosziewski)


  • Bei Stirling sollte man vielleicht folgendes beachten: Die von Dir angesetzten Heizwärme-Temperaturen (VL=80°C, RL=60°C) sind für ein Stirlinggerät viel zu hoch. Würde man ein Stirlinggerät bei solchen Temperaturen betreiben, wäre der Brennwerteffekt vollständig dahin, und der Gesamtwirkungsgrad läge eher bei 84% als bei 96%. Setzt man in Deiner Excel-Tabelle VL=50°C und RL=30°C ein,


    Ja, das ist mir schon klar. Die 80/60 Wahl ist der Standardisierung geschuldet, den "Standard" habe ich mir selbst gesetzt, für Heizung lieber den konservativen Wert von 80/60 zu wählen, auch wenn mir klar ist, dass daber der Brennwertnutzen praktisch perdü ist. Vielleicht sollte man auch noch parallel mit 50/30 für Brennwert-WT rechnen - das sind halt vereinfachende Annahmen, genauso wie mit dem Drittelmix beim Auto.


    Zitat

    so errechnet die Tabelle für den Stirling ceteris paribus (habe sonst nichts geändert: Wo Du Dich in der Tabelle vertippt hast, habe ich nicht gefunden) für den Wert des Stroms € 204,25 €/MWh (25% mehr) und für den Wert der Wärme 26,10 €/MWh (21% weniger).


    Vertippt habe ich in dem anderen Thread, den ich oben zitiert habe: 6 ct durch 150% ergibt 4 ct/kWh (Wärme) und nicht 5 ct/kWh. Mit der niedrigeren Temperatur für die Nutzwärme nimmt der exergetische Wert ab, d.h. die Wärme bekommt weniger Brennstoff (CO2, Kosten, etc.) zugewiesen. Wenn man allerdings dadurch nicht die elektrische Ausbeute erhöht, geht die Gesamtgüte (exergetische Effizienz) zurück. Beim Stirling habe ich im Hinterkopf, dass der mit kälterem Kalten Ende theoretisch einen besseren Wirkungsgrad hat, d.h. mit 30°C Rücklauftempertur sollte der effizienter laufen als mit 60°C Rücklauf.


    Zitat

    Ich frage mich allerdings, ob es beim exergetischen Ansatz richtig ist, die Heizkreistemperaturen heranzuziehen. Die sind nun mal abhängig von Art und ggf. Unzulänglichkeiten des installierten Heizsystems. Was doch für den Benutzer wirklich zählt, ist die warme Bude, und die hat (je nach Nutzergewohnheit) 20-22°C, in Badezimmern vielleicht auch 24°C. Beim Warmwasser (20% des Wärmeverbrauchs) sind es 60°C. Im Mittel ergeben sich dann ca. 30°C, und die sollten m.E. hier angesetzt werden.


    Ja, die Heizkreistemperatur ist richtig. Wie schon mal oben erläutert, geht es um die Bewertung des Produktes "Nutzwärme", die die KWK-Anlage abgibt. Wenn man also mit einer Niedertemperaturheizung klar kommt, dann kann man diese auch mit einer KWK-Anlage betreiben, die nicht im Zweifel auch 90° C liefert, sondern nur 60° C z.B. PEM-Brennstoffzellen, die sich mit der annähernd verlustlosen Wärmeauskopplung (noch) schwertun. Das Gedankenspiel wäre, wenn Investausgaben keine Rolle spielen: Sofern ich nur 30°C Heiztemperatur benötige, ich aber 90°C zur Verfügung gestellt bekomme, dann könnte ich eine thermisch angetriebene Wärmepumpe mit 90°C dazwischenklemmen und noch zusätzliche Erträge an NT-Wärme einfahren.


    Außerdem muss man sich als Befürworter der Carnot-Methode den Vorwurf anhören, man wolle die Wärme nur "schönrechnen", d.h. einen geringen Brennstoffanteil (Kosten, CO2, etc) auf die Wärme überschreiben. Dem will ich mit eher konservativen Berechnungsansätzen entgegnen. Für Carnot braucht man nur die Messwerte eta_el und eta_th und die ebenfalls messbaren T_aussen, T_nutzwärme. Für die beiden Temperaturen lassen sich im Segment stromerzeugender Heizungen sicherlich feste Werte festlegen, die das Ergebnis etwas verfälschen, aber die Anwendung vereinfachen. Ausserdem kommt es auf ein paar Grad rauf oder runter nicht wirklich an. Wichtig ist m.E. das Prinzip: Referenzsystemfrei und in Abhängigkeit der Nutztemperatur, schließlich soll das Berechnungssystem auch für andere KWK-Anlagen (Fernwärme, Prozessdampf, etc) funktionieren.


    Gruß,
    Gunnar


    PS. Ich muss mir mal in der Bibliothek die VDI 4608-2 besorgen, und mir die Begründung dort durchlesen.

    Ist die Wärme kraftgekoppelt, wird die Energie gedoppelt. (Ulli Brosziewski)

  • N'abend,


    heute habe ich an den VDI geschrieben und darum gebeten, die Überarbeitung der VDI 2077-3.1 zu überprüfen.



    Liege ich mit der folgenden Argumentation richtig?


    Die kalorische Methode behandelt elektrische und thermische Energie gleich. Dies ist nicht korrekt, da die Arbeitsfähigkeit von thermischer Energie vom Temperaturniveau des Energiereservoirs und der Umgebung abhängt: der Carnot'sche Wirkungsgrad ist das Maß zur Bewertung thermischer Energie. Wenn eine KWK-Anlage Strom und Wärme produziert, dann ist die Wärme spezifisch gesehen weniger wert als der Strom. Die exergetische Methode, die nicht im Konflikt zum 2. Hauptsatz steht, weist der Wärme einen geringeren Wert zu, die Wärme wird also im Vergleich zur kalorischen Aufteilung "billiger".


    In Mehrfamilienhäusern (WEG oder Mietshäusern) ist oft ein Verwalter für die Abrechnung der Heizkosten und die Instandhaltung und Modernisierung der Heizung zuständig. Aus einigen Einzeldiskussionen hier im BHKW-Forum ist der Fall nicht ganz unbekannt, dass nach dem Einbau eines BHKWs die Heizkosten deutlich nach oben gingen. Dies erzeugt nicht nur Unmut bei den Bewohnern, sondern setzt auch die Verwalter unter Druck. Wenn ein Kollege sich schon mal mit solch einem Projekt in die Nesseln gesetzt hat, lässt man die BHKW-Variante bei der kommenden Heizungsrenovierung lieber sein.


    Warum steigen nun die Heizkosten denn an? In den betrachteten Fällen wurde der BHKW-Strom nicht von den Hausbewohnern genutzt, sondern er wurde größtenteils eingespeist. Die Hausbewohner profitieren also nicht von lokal in der Kundenanlage erzeugten elektrischen Energie. Auf Basis einer Heizkostenabrechnung nach VDI 2077, wird aber die Wärme nach ihrem kalorischem Wert bewertet, d.h. sie ist recht teurer. Es ist kein Vorteil gegenüber einem Kessel zu sehen, ganz im Gegenteil, es kommen noch die variablen Betriebskosten (Wartung) mit in die Rechnung. Setzt man den exergetischen Wert an, so wird die Wärme billiger. Mit einem Mini-BHWK fürs MFH sind Primärenergiefaktoren nach Carnot von rund 0,5 darstellbar. Somit hat das Heizsystem eines Mehrfamilienhauses einen finanziellen Vorteil und der Verwalter einen realen Anreiz, sich für das Thema BHKW stark zu machen, weil er seinen WE günstigere Wärme verschaffen kann.


    Gruß,
    Gunnar

    Ist die Wärme kraftgekoppelt, wird die Energie gedoppelt. (Ulli Brosziewski)

  • Auf Basis einer Heizkostenabrechnung nach VDI 2077


    Hallo Gunnar - ohne dass ich die VDI2077 tatsächlich gelesen hätte - was ist Dein Ziel? Ist es dass alle Kuppelprodukte, also auch die Wärme, entsprechen Ihrem Exergiegehalt bepreist werden sollen. Ich denke an dieser Stelle steht außer Zweifel, dass du hier messerscharf und sauber argumenierst.


    Wer ist der "Dumme" dabei (bzw. der sich zu Unrecht so fühlt) ist es der den Stromeinspeiseprofit zumindest teilweise an die Wärmeeinkäufer abgeben muss? Bleibt die Frage welche von beiden Partei mehr Drive hat sich für BHKW stark zu machen.

  • Hallo Gunnar - ohne dass ich die VDI2077 tatsächlich gelesen hätte - was ist Dein Ziel? Ist es dass alle Kuppelprodukte, also auch die Wärme, entsprechen Ihrem Exergiegehalt bepreist werden sollen.


    Nicht die Bepreisung auf Basis des Exergiegehalts ist das Ziel, sondern die Aufteilung der variablen Inputfaktoren - im Kern ist es der Brennstoff, der auf die beiden Outputenergieströme umzulegen ist. Dies sollte nach der exergetischen Wertigkeit als Aufteilungsschlüssen geschehen, weil eine kWh_el und eine kWh_th eben nicht 1:1 ineinander überführbar sind, sondern der Wert der Wärme von ihrem Temperaturnivau abhängig ist. NT-Wärme zum Heizen mit 60°C ist etwas anderes als Prozesswärme zum Backen von Autoreifen (~200°C) oder HT-Wärme zum Brennen von Klinker.


    Zitat

    Wer ist der "Dumme" dabei (bzw. der sich zu Unrecht so fühlt) ist es der den Stromeinspeiseprofit zumindest teilweise an die Wärmeeinkäufer abgeben muss? Bleibt die Frage welche von beiden Partei mehr Drive hat sich für BHKW stark zu machen.


    Elektrische Energie hat einen exergetischen Wert von 1, thermische Energie hat einen Wert, der dem Carnot'schen Wirkungsgrad entspricht - das wäre für Heizwärme bei Aussentemperatur von 0°C rund 0,2. Strom sollte also 5 mal mehr Brennstoff pro Einheit tragen als Wärme. Das kann man zur Bestimmung des Primärenergiefaktors nutzen (Aufteilung der Inputenergie), aber auch für die Berechnung der variablen Brennstoffkosten (Aufteilung der var. Inputkosten). Der Link zur exergetischen Allokation gibt ein Beispiel für verschieden Mini-BHKW-Varianten.


    Bei einer exergetischen Aufteilung eines Mini-BHKWs (25% el, 65%th, 90%ges; 70°C Mitteltemperatur, 0° Außentemperatur) ergeben sich effektive Wirkungsgrade von 38%el (PE-Faktor für den Strom 2,6) und 188%th (PE-Faktor für die Wärme 0,53). Bei Brennstoffkosten von 6 ct/kWh wäre damit die Wärme für 3,2 ct/kWh zu haben und der Strom für 15,7 ct/kWh. Das zeigt, dass der Strom im Objekt selbst verwertet werden muss, indem man teuren Strombezug von außen verdrängt. Der Vorteil der KWK wird nicht nur der Stromseite zugesprochen, sondern auch die Wärmeseite erhält ihren Anteil. Würde man die physikalisch falsche kalorische Methode anwenden, dann würden Strom und Wärme gleich behandelt werden: beide würden nach dieser Aufteilung unter Berücksichtigung der Verluste 6,6 ct/kWh kosten. Wenn dann noch die variablen Betriebskosten dazukommen (Wartung), warum sollte ein Wärmenutzer sich dafür aussprechen, von einer Kessellösung zum BHKW eines Energiedienstleisters upzugraden?


    Gruß,
    Gunnar

    Ist die Wärme kraftgekoppelt, wird die Energie gedoppelt. (Ulli Brosziewski)