Hallo,
ich beschäftige mich gerade mit dem Umbau der Heizung für mein ca. 100 Jahre altes, unter Denkmalschutz stehendes EFH im Baustil einer Stadtvilla (2 Geschosse, ca 200m², Raumhöhen ca. 3,3,m). Bisher werkelt hier eine fast 20 Jahre alte 21KW Erdgasbrennwerttherme, die unter meinen Vorbesitzern in sehr kalten Wintern bis zu 70MWh ErdgasH verbrannt hat.
Dämmtechnisch habe ich inzwischen die Fenster erneuert und habe im letzten Jahr (das erste vollständige Jahr in dem Haus) ca. 50MWh Erdgas verbraucht. Nach der noch anstehenden Dämmung der obersten Geschossdecke und evtl. auch ein kleinerer Kamminofen für einen der größeren Räume würde ich als Ziel von vielleicht 40 MWh jährlichem Gasverbrauch ausgehen.
Nun bietet sich mir wahrscheinlich die Möglichkeit, dass ich einen Fernwärmeanschluss bekommen könnte.
Die Stadtwerke meiner ca. 10.000 Einwohner zählenden Stadt betreiben ein Fernwärmenetz.
Das Kostenangebot aus dem letzten Jahr klang prinzipiell auch attraktiv.
Anschlusskostenbeitrag für 20 KW-Fernwärmeanschluss ohne Übergabestation: 3600 Euro
Fernwärmeübergabestation + Installation: 8000 Euro
Jahresgrundgebür 20 KW-Anschluss: 450 Euro
Preis pro KWh: 7 ct
Nun teilen mir die Stadtwerker mit, dass der Preis pro KWh für die Privatkunden von 7 auf 8 ct erhöht werden musste, weil man bemerkt hätte, dass Privatkunden über Jahre preislich sehr viel besser gestellt wurden als die Großabnehmer (Wohnungsgesellschaften, Schulen, Krankenhaus etc..)
Bei genauerer Nachfrage stellte sich heraus, dass für 10 und 20 KW-Anschlüsse tatsächlich Dumpingpreise bei den Jahresgrundgebühren gemacht werden. Großabnehmer bekommen zwar 0,03ct Nachlass pro KWh zahlen aber 75 Euro pro KW und Jahr an Grundgebühr. Würde man den 20 KW-Anschluss aus meinem Angebot nach dem selben Satz berechnen, dann ergeben sich 1500 Euro Jahresgrundgebühr.
In den Gesprächen machten meine Stadtwerker durchaus glaubhaft, dass der Betrieb des Fernwärmenetzes mit entsprechenden Kosten verbunden wäre und trotz Stromverkauf aus der KWK und aller Förderungen sich die vorgelegten Kosten ergeben, ohne dass dabei irgend jemand besonders reich wird.
Schaut man sich die Preise in anderen Fernwärmenetzen an, dann sind meine Stadtwerker da noch nicht einmal besonders teuer.
Ein anderes Beispiel ist ein Fernwärmenetz in einem Dorf in meiner Nähe. Dort gibt es seit ein paar Jahren eine Biogasanlage (750KW el), die keine Abnahme für die Wärme hat. Die Dorfbewohner haben eine Bürgergesellschaft gegründet die das Netz errichtet und betreibt. Die Wärme wird beim Betreiber der Biogasanlage für 0,1ct eingekauft und für 7ct an die Abnehmer verkauft. Das Preismodell ist auf 7 Jahre kalkuliert und soll in dieser Zeit die Betriebskosten und die Abzahlung der Investition ermöglichen.
Basis für Preisvergleiche ist für mich im Moment immer der Erdgaspreis und als Wärmeerzeuger ein modernes Brennwertgerät.
Dabei ist mir bewusst, dass die KWh Erdgas nicht mit einer KWh Fernwärme gleichgesetzt werden kann, da ich die Wärme aus Erdgas erst selbst erzeugen muss. Für meine Vergleiche gehe ich von 90% Wirkungsgrad bei der Umwandlung mit einem modernen Brennwertgerät aus.
Abgesehen von konkreten Preisen, hinter denen sich alles mögliche verstecken kann, habe ich aber den Eindruck, dass Fernwärmenetze eine nicht zu vernachlässigende Energiemenge für sich selbst verschlingen und erhebliche Investitions- und Betriebskosten haben, so dass man mit so einem Netz nur dann zu Erdgas+Brennwertgerät konkurrenzfähige Preise machen kann, wenn man die Wärme nahezu geschenkt bekommt.
Die oben erwähnte Biogasanlage zählt dabei eigentlich nicht. Die hat der Betreiber dank so großer staatlicher Förderungen errichtet, dass er keine Pläne für die Verwendung der Wärme gemacht hat. Jede KWh Wärme, die er jetzt für 0,1 ct verschenken kann, verbessert seine Bilanz, da er Kühlleistung spart. Die Finanzierungsrechnung der angeschlossenen Wärme-Netzgesellschaft wurde sicherlich nicht von ungefähr auf 7 Jahre gemacht. Wahrscheinlich geht niemand davon aus, dass das ewig so weitergehen wird.
Meine Stadtwerker bekommen keine Wärme geschenkt.
Sie befeuern Gasmotoren mit Biogas und Erdgas. Außerdem gibt es einen Erdgas-Spitzenlastkessel.
Hinter den Investitions- und Instandhaltungskosten von Fernwärmenetzen steckt ja auch immer Energieverbrauch.
Schaut man auf die technischen Daten von Fernwärmeanschlüssen, dann ahnt man, dass für die dort angegebene Durchflussmenge (bei mir ca. 650 l/h für 20KW) nicht unerheblich Pumpenstrom aufgewendet werden muss. Da ich auch im Sommer Warmwasser benötige, muss auch dann weiter gepumpt werden.
Trügt mich mein Eindruck, oder ist es tatsächlich so, dass man, ausgehend von Erdgas, am Ende mehr Energie verbraucht, wenn man zuerst Strom erzeugt und die Abwärme dann in ein größeres Fernwärmenetz einspeist, als wenn man die Wärme vor Ort mit modernen Brennwertgeräten erzeugt?
Gruß Frank